Erstmals Herzklappenreparatur mit einer Spange
Wetzlar, 28.07.2020 – In der Medizinischen Klinik I am Klinikum Wetzlar ist erstmalig, an mittlerweile drei Patienten, eine neuartige Reparatur einer undichten Herzklappe mit einer Spange durchgeführt worden, ohne dass der Brustkorb für den Eingriff eröffnet werden musste. Dabei wurde im Herzkatheterlabor am schlagenden Herzen eine Spange in eine Herzvene eingeführt, um diese enger zu spannen.
Kommt es im Rahmen einer Herzschwäche zu einer relevanten Undichtigkeit der Mitralklappe, liegt dies zumeist an einer krankhaften Vergrößerung des Herzens. Sie geht mit einer Erweiterung des Rings der Mitralklappe einher. Bei einer herzchirurgischen Mitralklappenreparatur im Operationssaal wird daher ein Ring eingenäht, der die Mitralklappe rafft und somit die Dichtigkeit wiederherstellen soll.
Ältere Patienten mit relevanten Begleiterkrankungen kommen jedoch für solch einen operativen Eingriff wegen einer hohen eingriffsbezogenen Sterblichkeit nicht mehr in Frage. Bei diesen Patienten kann die undichte Mitralklappe mit einem Katheterverfahren repariert werden. Über eine Vene außen am Herzen, die in unmittelbarer Nachbarschaft der Mitralklappe verläuft, kann eine Metallspange eingebracht werden, die den hinteren Teil des Mitralrings rafft. Dabei wird der Blutfluss in der Vene selbst nicht beeinträchtigt, die Undichtigkeit der Mitralklappe jedoch vermindert. Der hierfür erforderliche Katheter wird speziell für die Anatomie des Patienten ausgewählt und über eine Halsvene eingeführt.
Der Eingriff erfolgt unter Vollnarkose, direkt im Anschluss wacht der Patient noch im Katheterlabor auf. Vor der Entlassung wird der Effekt auf die Mitralklappendichtigkeit mittels Herzultraschall überprüft, die weiteren ambulanten Kontrollen können beim niedergelassenen Kardiologen erfolgen. Eine dauerhafte Blutverdünnung ist nicht erforderlich.
„Die undichte Mitralklappe führt bei Patienten mit einer Herzschwäche zu einer reduzierten Lebensqualität infolge Kurzatmigkeit sowie einer reduzierten Lebenserwartung“, so Prof. Dr. Martin Brück, Chefarzt der Medizinischen Klinik I. Die Therapie der Wahl stellt die operative Reparatur der Mitralklappe dar. Dennoch werden nur 5 bis 29 Prozent der Patienten tatsächlich operiert, da es sich vornehmlich um ältere Menschen mit vielen Begleiterkrankungen und einem deutlich erhöhten, nicht zu vertretenden Operationsrisiko handelt. Daher stellen technisch erfolgreiche, aber weniger risikobehaftete Kathetertechniken wie die Implantation einer Metallspange eine alternative Therapieoption dar, so der Kardiologe.
Das so genannte Carillon-System besteht aus zwei Ankern, die über ein formgebendes Drahtband miteinander verbunden sind und in eine Herzvene eingeführt werden. Nach Entfalten des äußeren Ankers entfaltet sich unter Zug der innere Anker. Dadurch wird der Mitralklappenring gerafft und die Mitralklappe schließt verbessert. Die Mitralklappe trennt die linke Herzkammer vom linken Vorhof. Sie schließt bei jedem Herzschlag, so dass das Blut ausschließlich über die sich öffnende Aortenklappe in den Kreislauf gepumpt wird. Im Falle einer undichten Mitralklappe fließt das Blut bei jedem Herzschlag zurück in den linken Vorhof und von dort direkt in die Lunge. So entsteht bei Anstrengung oder auch schon in Ruhe eine Kurzatmigkeit, die das Hauptsymptom der betroffenen Patienten darstellt.
Eine gleichfalls katheterbasierte Reparatur der Mitralklappe mit einer Klammer (Mitraclip) wird in den Lahn-Dill-Kliniken bereits seitdrei Jahren eingesetzt und wurde mittlerweile bei über 100 Patienten erfolgreich durchgeführt. „Mit dem Carillon-System“ haben wir jetzt nicht nur eine alternative, sondern auch eine zusätzliche Möglichkeit der Mitralklappenbehandlung, da beide Systeme auch zusammen an einem Patienten angewendet werden können“, freut sich Prof. Brück.
Das Carillon-System entspricht den geltenden europäischen Vorgaben (CE-Kennzeichnung) und wurde mehr als 1000 Patienten weltweit implantiert.